Das LSG NRW hat mit Beschluss vom 24.7.2025 L 10 KR 787/24 KH einen Sachverständigen, der sich gegenüber den Prozessbevollmächtigten einer Partei wie folgt äußerte,
- „die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist weder über das Therapieverfahren noch über die Indikationen für das Therapieverfahren im geringsten informiert. […]
- es bedarf schon einer großen Unverschämtheit und Ignoranz, hier eine spezifische Therapie für das in dem Absatz darüber erwähnte Schmerzbild der rechten Schulter und des rechten Armes zu sehen. […]
- Um letztmalig die Absurdität der Ausführungen [der Prozessbevollmächtigten der Klägerin] deutlich zu machen, möchte ich folgenden Vergleich bringen: …“
wegen Befangenheit abgelehnt. Zwar begründe nicht jede scharfe Formulierung eines Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit, sondern maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls (dazu auch Keller, a.a.O.). So kann etwa dann keine Befangenheit zu besorgen sein, wenn der Sachverständige sich lediglich gegen ihrerseits unsachliche Angriffe eines Beteiligten zur Wehr setzt (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.05.2013 – 7 W 24/13 –, juris Rn. 17 ff.; KG, a.a.O. Rn. 11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.1996 – 10 W 48/96 –, juris Rn. 7). Insoweit ist zuzugeben, dass der von dem Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme angesprochene Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin seinerseits deutliche Angriffe gegen das Gutachten enthält. Indes ist es einem Sachverständigen auch in einer solchen Situation lediglich erlaubt, sich gegen Anwürfe eines Beteiligten kritisch zur Wehr zu setzen, dies durchaus mit deutlichen Worten. Persönliche Angriffe gegen den Beteiligten bzw. dessen Prozessbevollmächtigte sind hiervon aber nicht mehr gedeckt (vgl. KG, a.a.O. Rn. 12). Insoweit ist zu bedenken, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Sachverständige nicht als Gleiche gegenüberstehen. Vielmehr hat ein Rechtsanwalt im Rechtsstreit die Interessen seiner Mandantschaft zu vertreten. Er darf danach im Rahmen seiner Berufsausübung auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen und sogar „ad personam“ argumentieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom – 16.03.1999 1 BvR 734/98 –, juris Rn. 28; ähnlich auch BVerfG, Beschluss vom 16.07.2003 – 1 BvR 801/03 –, juris Rn. 12). Der Sachverständige ist dagegen Gehilfe des Gerichts und daher ebenso wie dieses zur Unparteilichkeit verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1973 – VI ZR 113/71 –, juris Rn. 18).
Dies zugrunde gelegt, sind die Äußerungen des Sachverständigen jedenfalls soweit er der Prozessbevollmächtigte der Klägerin „eine [große] Unverschämtheit und Ignoranz“ vorwirft, nicht mehr als lediglich kritische Erwiderung auf deren Angriffe zu betrachten. Sie können von einem objektiven Betrachter vielmehr ebenso gut als Anwürfe gegen die Person der Prozessbevollmächtigten verstanden werden, die dieser charakterliche Unzulänglichkeiten zuschreiben. Dies ist mit der Stellung des Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren nicht mehr vereinbar.
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund