Verzicht der Krankenkasse auf ein Prüfverfahren

Mittlerweile liegen die schriftlichen Urteilsgründe der Grundsatzentscheidung des BSG vom 22.6.2022, B 1 KR 19/21 R vor. Dieses hält fest, dass der – zulässige – Verzicht einer Krankenkasse auf das Prüfverfahren diese mit Einwänden gegen den Vergütungsanspruch nicht ausschließt, jedoch die Amtsermittlungspflicht des Gerichts beschränkt und bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Das Gericht darf weder Unterlagen des Krankenhauses beiziehen noch Ärzte des Krankenhauses als Zeugen über das Behandlungsgeschehen vernehmen noch auf anderem Weg sich Kenntnis von Vorgängen im Krankenhaus verschaffen, die vom MDK im Prüfverfahren zulässigerweise hätten ermittelt werden können. Insoweit besteht für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts. Dem Krankenhaus bleibt allerdings unbenommen, freiwillig Unterlagen vorzulegen oder andere Beweismittel anzubieten; diese unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot.
Da bei Nichtdurchführung des Prüfverfahrens der Krankenkasse ihre Einwände nicht abgeschnitten sind, ist das Sozialgericht in einem Vergütungsstreit zwar zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts – ausgehend vom Vortrag der Kasse – verpflichtet . Zur weitergehenden Ermittlung durch das Gericht besteht allerdings nur dann Anlass, wenn von der Kasse ein dem Gericht nicht bekannter Sachverhalt so vorgetragen wird, dass seine Entscheidungserheblichkeit erkennbar wird und sich daraus Anlass zu Ermittlungen ableiten lässt. Dies erfordert, dass die Kasse auf konkrete Beweismittel außerhalb der Behandlungsunterlagen des Krankenhauses Bezug nimmt, aus denen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden können, die, wenn sie zutreffen, geeignet sind, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu reduzieren oder gar auszuschließen.
Es ergeben sich für die Kasse somit bei Verzicht auf ein Prüfverfahren gesteigerte Darlegungsanforderungen. Sie muss im Vergütungsstreit ihre Einwände gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses auch ohne die Notwendigkeit der Datenerhebung beim Krankenhaus schlüssig vortragen. Nur wenn sich hieraus Tatsachen ergeben, die für sich genommen dem Vergütungsanspruch entgegenstehen können, ist weiter zu ermitteln, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hingegen ist eine Überzeugungsbildung des Gerichts zugunsten der Kasse nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich immer auch (irgend)etwas anderes aus den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses ergeben könnte.
Bleiben jedoch relevante Tatsachen für die von der Kasse erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten. Das Krankenhaus soll nicht unter dem Druck der Beweislast letztlich doch gezwungen sein, Behandlungsunterlagen zu offenbaren, deren Anforderung dem Gericht verwehrt ist. Ansonsten würde eine berechtigte Weigerung des Krankenhauses, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, oder ein Verwertungsverbot für unzulässig erhobene Beweise dem Krankenhaus entgegen der gesetzlichen Wertung zum Nachteil gereichen, wenn sich das Gericht auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht die Überzeugung bilden kann, der Vergütungsanspruch des Krankenhauses sei berechtigt.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund

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