Berliner Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern für die Betreuung in Kindertagesstätten ist unwirksam

Die in Berlin für zusätzliche Leistungen freier Träger von Kindertagesstätten geltende strikte Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern ist mit dem Anspruch der freien Jugendhilfeträger auf gleichheitsgerechte Beteiligung am staatlichen System der Kindertagesstättenfinanzierung unvereinbar, sie verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. den §§ 3 ff. SGB VIII.

Seit 2018 ist in Anlage 10 Abs. 6 der Berliner Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) vorgesehen, dass freie Träger mit den Eltern nur noch Zuzahlungen von maximal 90 Euro pro Kind und Monat inklusive 30 Euro für Frühstück und Vesper vereinbaren dürfen. Diese Obergrenze hat das BVerwG mit Urteil vom 26.10.2023 – 5 C 6.22 – für unwirksam erklärt. Vorrangiger bundesrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Finanzierungssysteme der Länder im Bereich der Kindertageseinrichtungen sei, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 2010 in einem von der Anwaltskanzlei Quaas & Partner geführten Verfahren entschieden hatte, der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Hierbei sei insbesondere der Grundsatz der Trägerpluralität § 3 Abs. 1 SGB VIII zu beachten. Danach darf bei der Ausgestaltung der Förderung grundsätzlich nicht nach Wertorientierungen oder Inhalten, Methoden und Arbeitsformen der freien Träger differenziert werden. Diese sind vielmehr wegen der ihnen gewährleisteten Autonomie gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII befugt, in ihrem pädagogischen Leistungsangebot auch über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere freie Träger für erforderlich halten. Dies schließt das Recht ein, die hierfür notwendigen und nicht durch die öffentliche Förderung abgedeckten Mittel durch Zuzahlungen von Seiten der Eltern zu erheben, wenn ein deren Wunsch- und Wahlrecht § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entsprechender Bedarf besteht.

Die in der RV Tag, die das BVerwG als untergesetzliche Rechtsnorm (Normvertrag) eingeordnet hat, vorgesehene strikte Zuzahlungsbegrenzung hält nach Auffassung des 5. Senates des BVerwG den vor diesem Hintergrund erforderlichen strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck – denn sie soll der Absicherung der in Berlin eingeführten (weitgehenden) Elternbeitragsfreiheit dienen und zur Verwirklichung von Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von Tagesstättenplätzen die ökonomischen Zugangsschwellen möglichst niedrig halten. Zur Erreichung dieses Zwecks sei sie auch geeignet und erforderlich. Die Regelung erweise sich allerdings als unangemessen, weil sie das vom Bundesgesetzgeber mit einem hohen Rang versehene Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lässt. Sie berücksichtige nicht, ob der jeweilige Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen sei, die er durch Zuzahlungen decken wolle. Die Unwirksamkeit der Regelung (Anlage 10 Abs. 6 RV Tag) führt auch dazu, dass es an der Rechtsgrundlage für die vom beklagten Land vorgenommene Kürzung der Kostenerstattung (§ 7 Abs. 2 RV Tag) fehlt. Das beklagte Land war daher zur Zahlung einbehaltener Gelder in Höhe von 200.000 Euro an den freien Träger, der geklagt hatte, zu verurteilen.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Moritz Quaas, Stuttgart

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