Aufrechnungsverbote im Landesvertrag

Wenngleich die seit 01.01.2022 geltende PrüfvV eine Aufrechnung zur Durchsetzung von Erstattungsforderungen der Krankenkassen nur noch in Ausnahmefällen für nicht bestrittene, geeinte oder rechtskräftig festgestellte Forderungen erlaubt, war dies in der Vergangenheit überwiegende Praxis. Umstritten war und ist insofern allerdings, ob und in welchem Rahmen die Landesverträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V und die seit dem 01.01.2015 geltende Fassung der PrüfvV derartige Aufrechnungen reglementieren können. Das LSG NRW hat insofern hinsichtlich eines Behandlungsfalles aus dem Jahre 2015 mit Urteil vom 29.09.2021, L 11 KR 472/17, erneut ein Aufrechnungsverbot im nordrhein-westfälischen Landesvertrag bekräftigt. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b) SGB V erfasse auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen über die Abrechnung von Entgelten; dies schließe die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen mit ein.
Das BSG wird sich demnächst mit derartigen Regelungen im Thüringischen sowie Hamburgischen Landesvertrag befassen (B 1 KR 5/22 R sowie B 1 KR 32/21 R). Es hat allerdings bereits festgestellt, dass ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot nichtig ist, wenn der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV eröffnet ist (Urteil vom 30. Juli 2019, B 1 KR 31/18 R). Mit Entscheidung vom 10.11.2021, B 1 KR 36/20, wurde ergänzend klargestellt, dass erst die Anfügung des § 275 Abs. 1 c Satz 4 SGB V a.F. zum 01.01.2016 zur Folge hatte, dass sich der Anwendungsbereich der bis dahin nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit der Behandlung geltenden PrüfvV ab diesem Zeitpunkt auch auf sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen erweiterte. Maßgeblich ist gemäß Urteil des BSG vom 16.07.2020, B 1 KR 15/19 R, insofern nicht der Beginn der Behandlung, sondern der Zugang des Prüfauftrages bei dem Krankenhaus nach dem 31.12.2015. Sofern ein vor diesem Zeitpunkt zugegangener Prüfauftrag neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung umfasste, wurde hierdurch die Anwendbarkeit der PrüfvV nicht insgesamt ausgeschlossen, sondern nur insoweit, als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung betroffen ist. Dass beide Prüfarten in einem Prüfauftrag zusammengefasst sind und die Prüfungen zusammen durchgeführt werden konnten, schließt die Geltung unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Vorgaben und Fristen nach Ansicht des BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 43/20 R, nicht aus.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz, Dortmund

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