Beweiswert der Dokumentation in Abrechnungsstreitigkeiten

Mit Urteil vom 12.06.2025, L 6 KR 102/20, hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern klargestellt, dass im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung in einem Vergütungsstreit aus einer etwaigen Nichtbeachtung bestimmter Dokumentationsanforderungen durch ein Krankenhaus wegen ihres grundsätzlich anderen Regelungszwecks (Qualitätssicherung) keine zwingenden Rückschlüsse auf ein tatsächliches Behandlungsgeschehen gezogen werden müssen. Strittig war die Vergütung von Zusatzentgelten für die Gabe von Zytostatika bei Durchführung einer teilstationären Krebsimmuntherapie. Die Krankenkasse lehnte diese unter Verweis darauf ab, dass die Krankenunterlagen nur die Anforderung der Zytostatika durch einen Arzt dokumentierten. Deren tatsächliche Verabreichung sei nicht belegt, da die Therapiepläne weder Einträge zur genauen Applikationszeit und -Menge noch eine ärztliche Unterschrift enthielten. Das Krankenhaus wandte ein, dass sich die Applikation selbst aus handschriftlichen Einträgen in der Patientenkurve und der gesamten Epikrise entnehmen lasse.
Das LSG hielt dies für ausreichend. Zum einen bestünden in Bezug auf den maßgeblichen OPS bzw. die Entgeltbezeichnung keine besondere formalen Dokumentationsverpflichtungen. Wenngleich fehlende Angaben zur Applikationsmenge einschließlich eines Namenszeichens in dem in der Patientenakte abgelegten „Therapieplan“ Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Applikationsmenge begründen könnten, würden diese „Nachlässigkeiten“ letztlich durch die weiteren Eintragungen in der Patientenkurve und Dokumentationen entkräftet. In Übereinstimmung mit der jeweiligen ärztlich veranlassten Anforderung von Zytostatika und dem ebenfalls dokumentierten Therapie-Schema fänden sich in der Patientenkurve jedenfalls tagesbezogene Eintragungen zu Wirkstoff und Dosis. Soweit nach zivilrechtlichen Maßstäben gem. § 630f Abs. 2 Satz 1 BGB der Behandelnde verpflichtet sei, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, spreche auch dies dafür, dass tatsächlich die geplante Menge des Medikamentes auch appliziert werden konnte und keine (dann fachlich wesentlich und mithin dokumentationspflichtigen) Unterbrechungen/Abbrüche aufgetreten waren. Ein fehlendes Handzeichen der dokumentierenden Person begründe vorliegend keine durchgreifenden Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben zum Umfang der Immuntherapie. Eintragungen ohne Unterschrift seien nicht von vornherein zum Beweis der dokumentierten Vorgänge ungeeignet, soweit die vorliegende Dokumentation keinen Anhalt für nachträgliche Veränderungen, zeitversetzte Eintragungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten biete. Soweit die Leitlinien zu Dokumentationsstandards (hier Onkopedia-Leitlinie zur Medikamentösen Tumortherapie) u.a. vorsähen, dass die applizierende Person mit Handzeichen und Uhrzeit die Korrektheit der Medikamente und der Patientenidentifikation bestätigen solle, könnten sich im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung aus einer möglichen Nichtbeachtung dieser Dokumentationsvorgaben – die einem anderen Zweck, nämlich der Qualitätssicherung, diente – keine zwingenden Schlüsse auf den tatsächlichen Ablauf der Behandlung, etwa auf einen vorzeitigen Abbruch der Applikation, ziehen lassen. Letztlich sei die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und auf den gesamten Akteninhalt gestützte Überzeugung des Gerichts maßgeblich.
Ihre Ansprechpartnerin: Kristina Schwarz

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