Das ohnehin schon sehr stark durch das Europarecht, insbesondere die Arbeits-zeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) geprägte Urlaubsrecht hat durch die neu-este Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine weitere, eher zu Lasten der Arbeitgeber gehende Änderung erfahren: Nach der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt in der Regel nicht genommener Jahresurlaub mit Ablauf des Jahres, wenn er nicht ausnahmsweise in das Folgejahr übertragen wird. Auf Vor-lage des Bundesarbeitsgerichts hat der Gerichtshof der Europäischen Union am 06.11.2018 (Az. C-684/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissen-schaften) erklärt, dass – etwas verkürzt dargestellt – diese Regelung nicht mit der Arbeitszeitrichtlinie übereinstimmt.
In Umsetzung dieser Vorgabe hat nunmehr das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15) entschieden, dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG der Verfall von Urlaub in der Regel nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefor-dert hat, den Urlaub zu nehmen und gleichzeitig klar und rechtzeitig darauf hin-gewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums erlöschen wird. Zumindest ist das Bundesarbeitsgericht nicht der Vorinstanz, dem Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 06.05.2015 – 8 SA 982714 -) gefolgt, wonach der Arbeitgeber sogar gezwungen sein sollte, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Gleichwohl sind durch diese Rechtsprechung des BAG die Obliegenheiten an einen Arbeitgeber, der erreichen will, dass Urlaubsansprüche seiner Mitarbeiter verfallen, gestiegen. Dieser muss also zukünftig, wie es der Europäische Gerichtshof ausführt, „konkret und in völ-liger Transparenz dafür (…) sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“.
Es ist zu erwarten dass es wegen der Frage, wann eine solche Information „rechtzeitig“ und ausreichend „transparent“ erfolgt, weiteren Streit geben wird. Eine Information kurz vor Ablauf des Kalenderjahres dürfte nicht mehr rechtzeitig sein, wohl auch nicht ein einfacher Hinweis auf den bestehenden Resturlaub in der monatlichen Gehaltsabrechnung. Für Arbeitgeber, die insoweit kein Risiko eingehen möchten, empfiehlt sich daher, schon früher im Jahr, etwa nach den Herbstferien oder spätestens Anfang November, entsprechende Schreiben an die betroffenen Arbeitnehmer zu versenden.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Peter Sieben
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