Das für interessante Entscheidungen im Vertragsarztrecht bekannte Sozialgericht (SG) Marburg macht mit einem Gerichtsbescheid aus Juni 2020 wieder von sich reden. Im entschiedenen Fall ging es um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes. Ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe hatte zum Ende des Jahres 2019 auf seine Zulassung verzichtet und seine Praxis zur Nachfolge ausgeschrieben. Es bewarb sich darauf nur ein MVZ aus einer 36 km entfernten Stadt. Dieses plante den vollen Versorgungsauftrag mit vier zu jeweils 25 % anzustellenden Gynäkologen auszufüllen. Das SG Marburg erteilte dem eine Absage und wies die gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid des Berufungsausschusses eingelegte Klage zurück. Zur wesentlichen Begründung führte es aus, § 103 Abs. 4 c SGB V lasse eine Praxisnachfolge auch in der Gestalt der Bewerbung eines MVZ mit von diesem anzustellenden Ärzten zu. Über eine Entfernung von 36 km sei aber die Fortführung einer Praxis nicht möglich. Die Praxisfortführung setze voraus, dass der Bewerber die vertragsärztliche Tätigkeit im selben medizinischen Fachgebiet und im selben Planungsbereich wie der ausscheidende Vertragsarzt ausüben will. Ein „Mitwandern“ der Patienten über eine räumliche Entfernung von 36 km sei aber praktisch ausgeschlossen. Dem seitens des MVZ gestellten Verlegungsantrag sei ebenfalls nicht stattzugeben. Begründet wurde dies zum einen mit einer Verschlechterung der Versorgungslage am bisherigen Praxisstandort und zum anderen damit, dass auch keine Gründe vorgetragen wurden, welche unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes des seine Praxis schließenden Vertragsarztes ausnahmsweise eine andere Beurteilung zulasse. Werde eine Praxis am bisherigen Standort nicht mehr betrieben, auch nicht in der Form einer Zweigpraxis, so sei dies allein einer wirtschaftlichen Kalkulation geschuldet, die seitens der Zulassungsgremien nicht zu berücksichtigen sei. Die Entscheidung des SG Marburg bestätigt damit die allgemeine Erfahrung, dass sich die Verlegung von Vertragsarztsitzen über Gemeindegrenzen hinaus als problematisch darstellen und nur bei Vorliegen besonderer Gründe in Betracht kommt.
Ihr Ansprechpartner: Dr. J.-M. Kuhlmann
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