Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit

Das SG Dortmund hat in einem von uns vertretenen Verfahren auf Antrag hin mit Beschluss vom 3.5.2023 – 95 SF 108/23 AB – einen Richter wegen Befangenheit abgelehnt. Anlass für den Ablehnungsantrag gaben Ausführungen des Richters in einem Beschluss, mit dem der Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen zurückgewiesen worden war. Danach sei „gerichtsbekannt“, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Gutachten, die nicht zugunsten ihrer Mandantschaft ausgingen, regelmäßig angreife oder durch ärztliche Stellungnahmen aus dem Haus der jeweiligen Klägerin angreifen lasse und dem Gutachter dabei „wahlweise Oberflächlichkeit, eine zu wissenschaftliche Herangehensweise und/oder mangelnde Vertrautheit mit den in Streit stehenden Behandlungsmethoden“ vorwerfe, wobei die Einwände gegen das jeweilige Gutachten dabei „regelmäßig -zumindest unterschwellig – auch mit Anwürfen gegen die Person des Sachverständigen“ verbunden seien. Vergleichbare Bedenken hinsichtlich der Person des Gutachters oder der Qualität des Gutachtens würden „verständlicherweise nicht“ gehegt, sofern sich derselbe Sachverständige in einem anderen Gutachten zugunsten der Sichtweise der jeweiligen Klägerin ausspreche.
Diese Ausführungen des Richters – so die Kammer, die über den Ablehnungsantrag zu entscheiden hatte – beinhalten vom Standpunkt eines objektiven Dritten aus die Unterstellung, dass die Prozessführung der Klägerbevollmächtigten regelhaft, d. h. nicht nur im vorliegenden Rechtsstreit, von Unsachlichkeit und mangelnder Professionalität geprägt sei. Es drängt sich hierdurch für die Klägerin bei vernünftiger Betrachtungsweise der Eindruck auf, dass der abgelehnte Richter eine grundsätzlich negative Einstellung gegenüber der Arbeitsweise der Klägerbevollmächtigten bei der Wahrnehmung ihrer prozessualen Aufgaben als Parteivertreterin gefasst
habe, die über die konkrete Sachentscheidung hinausgeht. Die Ausführungen begründen damit bei objektiver Betrachtung für die Klägerin die Befürchtung, dass der Richter in der Sache selbst ihr Anliegen – und dabei insbesondere ihren durch die Bevollmächtigte vorgebrachten medizinischen Vortrag im Rahmen der Auseinandersetzung mit gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht unvoreingenommen zur Kenntnis nehmen und in die Entscheidungsfindung einbeziehen werde. Eine Differenzierung zwischen der Besorgnis der Voreingenommenheit gegenüber der Bevollmächtigten einerseits und der Klägerin selbst andererseits ist bei dieser Sachlage nicht angezeigt, da jedenfalls mit der Verfahrensführung der Bevollmächtigten auch das Anliegen der Beteiligten in der Sache betroffen ist (vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 31.10.2012, 4 WF 121/12, juris).
Ihre Ansprechpartnerin: Dr. Heike Thomae, Dortmund

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