Das LSG Sachsen Anhalt hatte mit Urteil vom 12.10.2023, L 6 KR 75/21, über die Frage zu entscheiden, ob bei teilweiser Nichterfüllung der in der Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen (MHI-RL) genannten strukturellen Voraussetzungen der Vergütungsanspruch eines Krankenhauses in voller Höhe entfällt. Das LSG verneinte dies mit folgenden Leitsätzen:
1. § 137 Abs 1 SGB V in der ab dem 1. Januar 2016 gültigen Fassung steht einem Automatismus zwischen Nichterfüllung von Anforderungen aus Qualitätssicherungsrichtlinien und vollständigem Vergütungsausschluss entgegen.
2. Es obliegt der Regelungskompetenz des G-BA, ob er jede in einer Richtlinie nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V enthaltene Vorgabe als Mindestanforderung mit der Folge eines Vergütungswegfalls bei Nichterfüllung einstuft oder dies unterlässt bzw. weitere Differenzierungen vornimmt.
3. Ein vollständiger Wegfall des Vergütungsanspruchs als schärfstes Sanktionsmittel kann nur dann Folge einer Nichterfüllung von Mindestanforderungen sein, wenn dies die jeweils einschlägige Einzelrichtlinie des G-BA unter speziell geregelten und im betreffenden Einzelfall erfüllten Voraussetzungen themenspezifisch vorsieht. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gesetz einen Vergütungswegfall – wie zB in § 136b Abs 5 Satz 2 SGB V hinsichtlich eines Verstoßes gegen Mindestmengenregelungen – selbst vorgibt.
Im Einzelnen führt das LSG aus, dass ebenso wie etwa in der Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma, der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene oder aber der Richtlinie zur Kinderherzchirurgie auch in der MHI-RL kein Wegfall des Vergütungsanspruchs vorgesehen sei. Demgegenüber habe der G-BA einen solchen z.B. in § 7 Abs. 2 der Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur (QSFFx-RL) normiert und in § 7 Abs. 7 QSFFx-RL zudem einen 75 %igen Vergütungsabschlag festgelegt. Wenngleich die Nichteinhaltung von Mindestvorgaben nach § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V zwar als Regelfall ein Entfallen des Vergütungsanspruchs nach sich ziehe, gelte dies nach § 137 Abs. 1 Sätze 3-6 SGB V i.V.m. den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 5 Satz 1 QFD-RL allerdings nur dann, wenn der G-BA diese Rechtsfolge in der einschlägigen themenspezifischen Richtlinie vorsähe. Ein Fortfall des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses käme daher mangels Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Dem lasse sich unter Hinweis auf § 2 Abs. 5 Satz 2 QFD-RL auch nicht damit begegnen, aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in der jeweiligen Einzelrichtlinie anknüpfend an die bis zum 31. Dezember 2015 geltende Rechtslage doch wieder einen Vergütungsausschluss zu schlussfolgern, da hierdurch das Regelungssystem des § 137 Abs. 1 SGB V ignoriert werde. Der Gesetzgeber habe die zu § 137 Abs. 1 SGB V a.F. ergangene Rechtsprechung des BSG gerade zum Anlass einer Neufassung der Vorschrift genommen und einen Wegfall des Vergütungsanspruchs unter Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – als ultima ratio – ausdrücklich dem Regelungsvorbehalt des G-BA unterstellt. Ein vollständiger Vergütungsverlust auch ohne dessen Anordnung durch den G-BA sei hiermit unvereinbar. Da die Auslegung von § 137 Abs. 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2016 gültigen Fassung grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Revision zugelassen.
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