Novelle der Landesbauordnung (LBO) Baden-Württemberg verabschiedet

Die Mitte 2024 auf den Weg gebrachte (Quaas & Partner News vom 16.09.2024) Novelle der Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO) wurde vom Landtag am 13.03.2025 verabschiedet. Es ist schon die vierte Änderung der LBO in dieser Legislaturperiode.

Ein Kernstück der bisherigen Überlegungen, das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren für sämtliche bebauungsplankonforme Vorhaben mit Ausnahme der Sonderbauten und dort eine Genehmigungsfiktion vorzusehen, fällt jetzt moderater aus, indem seine Anwendung differenziert wird: Für alle Wohngebäude der Gebäudeklasse 4 (bis 13 m Höhe) kann der Bauherr nur zwischen Kenntnisgabeverfahren und dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wählen. Bei sonstigen, insbesondere gewerblichen Bauvorhaben haben Bauherren die Wahl zwischen vereinfachtem oder ordentlichen Baugenehmigungsverfahren. Aufgrund der negativen Erfahrungen mit dem Kenntnisgabeverfahren mangels ausreichender Dokumentation des Ergebnisses ist diese Abschwächung zu begrüßen. Das ordentliche Baugenehmigungsverfahren bleibt nur noch für Sonderbauten verpflichtend (zB. Schulen oder Hochhäuser).

Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und Verfahren über Antennenanlagen werden in § 58 Abs. 1a LBO mit einer Genehmigungsfiktion versehen, wenn der vollständige Bauantrag innerhalb von drei Monaten nicht beschieden ist. Allerdings gilt die Fiktion für Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen nur, wenn sie auch beantragt wurden. Zudem muss ein versagtes gemeindliches Einvernehmen vor Ablauf der Entscheidungsfrist ordnungsgemäß ersetzt werden, kann also nicht Gegenstand der Fiktion sein. Allerdings bleibt offen, wie diese Ersetzung erfolgt, da sie bislang als Ersatzvornahme in der Erteilung der Baugenehmigung enthalten war. Das aus dem Kenntnisgabeverfahren vertraute Problem der fehlenden Dokumentation der fingierten Baugenehmigung soll dadurch gelöst werden, dass die Genehmigungsfiktion nach §§ 42a LVwVfG, 58 Abs. 1a Nr. 4 LBO auf Verlangen des Bauherrn oder von Einwendern unter Wiedergabe des Inhalts der fingierten Genehmigung und einer Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen oder bekanntzugeben ist. Eine Frist ist dafür nicht angegeben. Ob sich so ein Entlastungseffekt für die Behörden ergibt, wird wohl davon abhängen, wie häufig diese Bestätigung angefordert wird, weil diese einen ähnlichen Aufwand wie das Abfassen einer Baugenehmigung verursachen dürfte – mit dem Unterschied, dass schon vorher gebaut werden darf. Jedoch wurde in § 59 LBO keine Aussage zur Baufreigabe (roter Punkt) im Falle der Genehmigungsfiktion aufgenommen, so dass diese unklar bleibt.

Auch sonst erschwert die Novelle den Angrenzern die Wahrnehmung ihrer Rechte, entgegen der Beteuerungen der Landesregierung im Gesetzgebungsverfahren. So wird in § 55 Abs. 2 Satz 1 LBO die Angrenzereinwendungsfrist mit materieller Präklusion (wieder) auf zwei Wochen verkürzt. Ergeht eine Baugenehmigung im vereinfachten oder im ordentlichen Baugenehmigungsverfahren, erfolgt deren Zustellung nur noch an Angrenzer, deren Einwendungen nicht umgesetzt wurden. Die Zustellung oder Bekanntgabe an sonstige Nachbarn bei Berührung ihrer öffentlich-rechtlich geschützten Belange ist nur noch Sollvorschrift. Einschneidend ist die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in allen Angelegenheiten nach der LBO und dem Denkmalschutzgesetz (§ 15 AGVwGO). Insgesamt bedeutet die erhebliche Erweiterung der Bereiche, in denen der Gesetzgeber die behördliche Kontrolle mit dem Verweis auf die Fachkompetenz der Bauvorlageberechtigten streicht, dass die Nachbarn eines unzulässigen Bauvorhabens von der Verwaltung zunehmend allein gelassen werden.

Weitere Entlastung der Baurechtsbehörden soll die Erweiterung des Katalogs der verfahrensfreien Vorhaben im Anhang zur LBO erbringen. So werden Nutzungsänderungen zur Schaffung von Wohnraum generell verfahrensfrei (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 LBO). Andere Erweiterungen betreffen im überarbeiteten Anhang zB. Öffnungen von Wänden und Dächern in Gebäuden, Kinderspielplätze, Garagen und Terrassen sowie Brennstoffzellen.

Bei den Abstandsflächen gibt es Privilegierungen u.a. von Anlagen zur Solarnutzung auf Dächern und von nachträglichen Dämmungen. Schon bisher problematisch war § 5 Abs. 5 Satz 2, jetzt Nr. 1 LBO, wonach eine nachträgliche Aufstockung von seit mindestens fünf Jahren zugelassenen Gebäuden um bis zu zwei Geschosse keine weitere Abstandsfläche auslöst. Sie wird nicht präzisiert, sondern sogar noch erweitert um die Errichtung von Dachgauben und Zwerchgiebeln zur Schaffung oder Erweiterung von Wohnraum in den durch die Außenwände vorgegebenen Grenzen. Abstandsrechtlich zulässig ist künftig gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LBO eine Nutzung von Dachflächen von baulichen Anlagen zu anderen Zwecken. So dürfen zB. auf einer privilegierten Grenzgarage Dachterrassen ohne Wegfall der Privilegierung entstehen, obwohl sie sich auf Nachbargrundstücke auswirken können. Passend dazu gibt es einen neuen Abweichungstatbestand für Abstandsflächen in § 56 Abs. 2 Nr. 5 LBO bei Ersatz eines Gebäudes an gleicher Stelle mit höchstens gleichen Abmessungen. Damit wird das Abstandsflächenrecht weiter verkompliziert statt vereinfacht.

Beim Brandschutz gibt es u.a. Ausnahmen vom zweiten Rettungsweg und Brandwänden, die den Anforderungen der Praxis genügen sollen. Die LBOAVO wird in die LBO integriert. Die Pflicht zur Errichtung von Kinderspielplätzen soll erleichtert abgelöst werden können. § 68 LBO enthält wie im Entwurf eine Typengenehmigung als Grundlage für serielles Bauen hinsichtlich standortunabhängiger Anforderungen.

Interessant ist die gesetzliche Festlegung des Bestandsschutzes in § 76 Abs. 1 LBO für bauliche Anlagen, „soweit sie genehmigt und genehmigungskonform errichtet worden sind und den Umfang der genehmigten Nutzung nicht verlassen“ haben oder „zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dem geltenden Recht entsprochen“ haben oder „zu einem späteren Zeitpunkt hätten genehmigt werden können und … nicht zwischenzeitlich zu anderen Zwecken genutzt“ werden.

Die meisten dieser Änderungen treten drei Monate nach ihrer Verkündung im Gesetzblatt in Kraft, also voraussichtlich Mitte Juni 2025.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Alexander Kukk, Nürtingen/Stuttgart

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