„Bauturbo“ am 30.10.2025 in Kraft getreten – dringender Handlungsbedarf für Gemeinden!

Das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ ist aufgrund Bekanntmachung im BGBl I Nr. 257 am 30.10.2025 in Kraft getreten. Damit ist der „Bauturbo“ nach langem Ringen nunmehr Gesetz geworden.

I. Inhalt des neuen Rechts

Die größte Bedeutung hat § 246e BauGB, die „befristete Sonderregelung für den Wohnungsbau“. Er ermöglicht Wohnungsbau ohne Bauleitplanung, allein mit Zustimmung der Gemeinde. Diese Zustimmung „erteilt“ die Gemeinde gemäß § 36a Abs. 1 Satz 2 BauGB schon dann, „wenn das Vorhaben mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist“. Sie kann nach Satz 3 die „Bedingung“ stellen, „dass der Vorhabenträger sich verpflichtet, bestimmte städtebauliche Anforderungen einzuhalten“. Im Übrigen muss das unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sein. Zudem ist eine überschlägige Prüfung auf erhebliche Umweltauswirkungen, im Bejahensfall eine strategische Umweltprüfung erforderlich (§ 246e Abs. 2 BauGB). Außenbereichsflächen sind gemäß § 246e Abs. 3 BauGB bebaubar, wenn sie „im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die nach § 30 Abs. 1, Abs. 2 oder § 34 [BauGB] zu beurteilen sind“, also zu beplanten oder bebauten Flächen. Eine genauere Eingrenzung enthält das Gesetz nicht; gemäß Gesetzesmaterialien ist jedenfalls ein Abstand von 100 Metern zum bebauten Bereich nicht mehr ausreichend. Die Vorschrift erinnert an den wegen Europarechtswidrigkeit aufgehobenen § 13b BauGB.

Wohnbauvorhaben profitieren zudem von Erleichterungen bei Befreiungen gemäß § 31 Abs. 3 BauGB und beim Abweichen vom Einfügen im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 3b BauGB. § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB erweitert die Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan auf abweichend von der TA Lärm zu bestimmende Werte zum Schutz vor Geräuschimmissionen. § 216a BauGB sieht bei Unwirksamkeit solcher Festsetzungen nachträgliche Anordnungen von lärmmindernden Maßnahmen vor, aber nur mit Einschränkungen zu Lasten der geräuschverursachenden Anlagen und bei Kostenübernahme durch die Gemeinde, den Vorhabenträger oder einen Eigentümer oder Nutzungsberechtigten.

Das bedeutet: Das Erfordernis der Bauleitplanung wird insoweit vorerst bis 31.12.2030 aufgegeben; die Planungshoheit der Gemeinde auf einen eingeschränkten Zustimmungsakt reduziert, wenn sie nicht selbst Baurechtsbehörde ist. Mit der gesetzgeberischen „Brechstange“ wird experimentell eine weitreichende Abweichung von planungsrechtlichen Vorgaben für Wohnungsbau zugelassen, um statt jahrelanger Planungsprozesse nur noch die in der Landesbauordnung vorgesehenen raschen Zeitabläufe für die Erteilung einer Baugenehmigung vorzusehen. Die planerische Abwägung wird ausgeschaltet; die Öffentlichkeitsbeteiligung auf eine bloße Möglichkeit nach § 36a Abs. 2 BauGB reduziert. Interessant dürfte in diesem Zusammenhang das „Umsetzungslabor Bau-Turbo“ im Projektzeitraum Oktober 2025 bis März 2026 werden, www.umsetzungslabor-bauturbo.de.

II. Dringender Handlungsbedarf für Kommunen

Gemeinden sollten nun keinesfalls einfach abwarten. Als erste Reaktion dringend zu empfehlen ist, dass Gemeinden über eine einheitliche und zielführende Anwendung des „Bauturbos“ entscheiden: Dies gilt sowohl für Ablehnungen als auch für bedingte Erteilungen der Zustimmung nach § 36a BauGB. Für das maßgebliche Kriterium, ob das Vorhaben mit den kommunalen Vorstellungen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist, sollten Gemeinden klare Kriterien entwickeln, weil ihre Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu einer rechtlichen Bindung führen können. Es bietet sich an, Leitlinien im Sinne einer Verwaltungspraxis für unterschiedliche, aufgrund des „Bauturbos“ für rasche Wohnbebauung in Betracht kommende Flächentypen zu entwickeln und ggf. einen Gemeinderatsbeschluss zu fassen. Erst recht gilt dies für die Zustimmung unter Bedingungen, die sinnvollerweise in einen städtebaulichen Vertrag gekleidet werden. Artenschutz und Denkmalschutz bleiben als separate Eingriffsverbote unberührt.

Für das weitere Erfordernis der überschlägigen Prüfung erheblicher Umweltauswirkungen sollten Gemeinden Klarheit schaffen, ob in den für § 246e BauGB in Betracht kommenden Gebieten Umweltinformationen vorliegen oder als geeignete Datengrundlage für eine solche spätere Prüfung gesammelt werden.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Alexander Kukk, Stuttgart

Das könnte Sie auch interessieren