Die zuletzt stockende, lang erwartete BauGB Reform nimmt Fahrt auf: Am 30.07.2024 wurde als „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen“ an Länder und Verbände zur Stellungnahme übersandt. Damit endete eine längere Sendepause nach der viel diskutierten „Formulierungshilfe“ zum „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer befristeten Sonderregelung für den Wohnungsbau“ vom 14.11.2023. Inzwischen liegt der überarbeitete Kabinettsentwurf mit Datum vom 04.09.2024 vor.
Zentral sind die Regelungsbereiche Wohnungsbau, Klimaschutz, Einzelhandel und Digitalisierung:
1. Für den Wohnungsbau war im Referentenentwurf der entschlossene, aber in seiner rechtstaatlichen Bestimmtheit fragwürdige neue § 246e BauGB entfallen. Im Kabinettsentwurf ist er wieder aufgenommen, wonach „mit Zustimmung der Gemeinde von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichen Umfang abgewichen werden [kann], wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der“ dort aufgezählten Vorhaben dient. Weitere zentrale Teile des Entwurfs sind die Entfristung der Ermächtigung der Landesregierungen aus § 201a BauGB, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zu bestimmen, und ein neuer § 9a BauGB mit besonderen Festsetzungen für Gebiete nach § 34 BauGB. Zugunsten des Wohnungsbaus darf in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt künftig zusätzlich gemäß § 31 Abs. 3 BauGB befreit werden, wenn dies der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gebäudes, insbesondere einer Aufstockung, oder der Errichtung eines Gebäudes dient, das nach Art der baulichen Nutzung nach dem Bebauungsplan zulässig wäre. Dabei treffen die Gemeinde Veröffentlichungserfordernisse. Die Möglichkeiten der Abweichung vom Einfügenserfordernis in § 34 Abs. 3a BauGB werden vor allem zugunsten des Wohnungsbaus erweitert. Beim gemeindlichen Vorkaufsrecht sollen künftig der Verkauf aller Wohnungseigentumsrechte auf einem Grundstück und die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft („share-deal“) ein Vorkaufsrecht auslösen, um diese Umgehung der gemeindlichen Baulandbeschaffung künftig auszuschließen. Eine Neufassung des § 176a BauGB soll städtebaulichen Entwicklungskonzepten zur Stärkung der Innenentwicklung mehr die Bedeutung verschaffen. § 246a Abs. 6 BauGB soll künftig eine bloße Anpassung des Flächennutzungsplans an einen Bebauungsplan ermöglichen, der in einem angespannten Wohnungsmarkt nach § 201a BauGB überwiegend zur Schaffung von Wohnraum erlassen wurde. Modifikationen sollen zudem am Baugebot nach § 176 BauGB erfolgen, flankiert durch ein durchsetzbares Pflanz- und Maßnahmengebot in § 178 BauGB.
In der BauNVO soll der Begriff der „Musikclubs“ erscheinen. Kerngebiete sollen in § 7 BauNVO nach ihrem Gebietscharakter künftig auch dem Wohnen dienen, wenn der Bebauungsplan dies vorsieht. In § 13 BauNVO soll die Zulässigkeit von Räumen für freie Berufe im Kleinsiedlungsgebiet gestrichen werden. Erneut modifiziert wird § 13a BauNVO über Ferienwohnungen. Die Orientierungswerte in § 17 BauNVO werden neu gefasst. § 19 BauNVO soll den „Versiegelungsfaktor“ als Kenngröße zum Maß der baulichen Nutzung enthalten. In § 20 BauNVO ist vorgesehen, Vollgeschosse und Staffelgeschosse bundeseinheitlich zu definieren.
2. Zum Thema Klimaschutz, aber auch allgemein beachtlich ist die entworfene Neufassung der Aufgabe der Bauleitplanung in § 1 BauGB. Die in die Jahre gekommene, immer weiter aufgeblähte Vorschrift wird in einen § 1a mit „Instrumenten der städtebaulichen Planung“, einen § 1b mit den Grundsätzen der Abwägung sowie einen § 1c mit dem Abwägungsmaterial, der den bisherigen Katalog der Abwägungsbelange enthält, aufgeteilt und neugefasst. Neugefasst wird zudem § 2 BauGB über die Begründung von Bauleitplänen, die Umweltprüfung und den Umweltbericht. Dies geht einher mit einer Neufassung der Anlage 1 zum BauGB über den Umweltbericht. Dabei handelt es sich um die textlich umfassendsten Änderungen des BauGB seit langer Zeit. Zudem dürfen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB künftig ergänzende Anforderungen gestellt werden, die der Klimaanpassung dienen. Ferner darf die Gemeinde solche Anforderungen im unbeplanten Innenbereich durch Satzung bestimmen. § 191a BauGB zählt Instrumente zur Klimaanpassung auf.
3. Zum Einzelhandel sieht § 11 Abs. 3 BauNVO als neue Regelvermutung für Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe des täglichen Bedarfs vor, dass sie trotz Geschossflächenüberschreitung keine schädlichen Auswirkungen haben, wenn sie der verbrauchernahen Versorgung dienen. § 20a BauNVO soll künftig Verkaufsflächenzahl und zulässige Verkaufsfläche für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe regeln.
4. Zudem sollen die teilweise misslungenen Regelungen zur Digitalisierung im Bebauungsplanaufstellungsverfahren in §§ 3, 4, 4a und 10a BauGB und für das Flächennutzungsplanaufstellungsverfahren in § 6a BauGB ergänzt und vereinheitlicht werden. Nach dem Entwurf des § 4b Abs. 2 BauGB „sollen“ zwischen dem Beteiligungsverfahren und der Veröffentlichung künftig nicht mehr als 12 Monate liegen.
Die Novelle steht in der Tradition bisheriger Novellen mit modifizierenden Eingriffen, enthält aber deutliche Umbrüche. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch bis Ende 2024 abgeschlossen werden.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Alexander Kukk