Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 24.01.2023 – 4 CN 8.21 – entschieden, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eines anerkannten und damit nach § 2 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz antragsbefugten Umweltverbandes nicht deshalb entfalle, weil der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig umgesetzt sei.
In der Vorinstanz hatte der VGH Bayern den Normenkontrollantrag des Umweltverbandes abgelehnt. Dieser sei nachträglich unzulässig geworden, weil mit der bestandskräftigen Baugenehmigung der angegriffene vorhabenbezogene Bebauungsplan vollständig ausgefüllt sei. Demnach fehle dem Umweltverband das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis und es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, inwiefern sich die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern könne, wenn der Bebauungsplan für unwirksam erklärt werde. Der Umweltverband hat daraufhin Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Das BVerwG entschied, dass das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Fall vorliege: An das Rechtsschutzbedürfnis für Normenkontrollanträge von Umweltverbänden seien „keine hohen Anforderungen zu stellen“. Anders als bei einem Antrag eines Antragstellers nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt.1 VwGO entfalle es nicht „ausnahmsweise dann, wenn der angegriffene Bebauungsplan bereits vollständig vollzogen und die Rechtsstellung des Antragstellers durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessert werden“ könne. Diese „in der Rechtsprechung zu Plannachbarn entwickelte Fallgruppe“ sei „auf den Normenkontrollantrag eines Umweltverbandes nicht übertragbar“. Dies folge aus der „besonderen Rolle, die Umweltverbänden im deutschen Prozessrecht – in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben – eingeräumt“ werde. Weil Umweltverbände keiner Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bedürfen, sei es nicht gerechtfertigt, „für das Rechtsschutzbedürfnis eines Umweltverbandes maßgeblich darauf abzustellen, ob sich durch den Erfolg im Normenkontrollverfahren „seine Rechtsstellung verbessert“. Der Umweltverband sei „nicht im eigenen Interesse, sondern altruistisch zur Förderung der Ziele des Umweltschutzes tätig“; es gehe damit nicht um eine Rechtsstellung, die durch einen Normenkontrollantrag verbessert werden könne, sondern darum, „ob der Umweltverband noch Verbesserungen zum Schutz der Umwelt erreichen“ könne. Dies sei nach Ansicht des BVerwG auch dann zu bejahen, wenn der angefochtene Bebauungsplan bereits vollständig umgesetzt wurde. Bei einem erfolgreichen Normenkontrollantrag bestünde die Möglichkeit einer erneuten Bauleitplanung. Auf eine solche Neuplanung könne ein Umweltverband bei UVP- oder SUP-pflichtigen Bebauungsplänen hinwirken, wodurch zu einer Verbesserung des Umweltschutzes beigetragen werden könne, weil nicht ausgeschlossen sei, dass sich der Plangeber bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans für eine die Umwelt günstigere Planung entscheide und etwa zusätzliche Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen aufgrund der Ausgleichsregelungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz festsetze.
Das BVerwG eröffnet somit den anerkannten Umweltverbänden tiefgreifende Eingriffsmöglichkeiten in die Planungshoheit der Gemeinden.
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Beweislastumkehr bei nicht eingeleitetem Prüfverfahren und Hinzuziehung von nicht fest angestelltem Personal
Das LSG NRW hat mit Urteil vom 02.06.2022, L 16 KR 827/20, in einem von uns geführten Verfahren die Klage einer Krankenkasse aufgrund eines Einwendungsausschlusses